Der Kriegszug nach Waddan1 (August 623 n. Chr.)

Es war der erste Kriegszug Muhammads2. Er zog bis nach Waddan, und dieser Zug heißt der von Abwa'. Er suchte die Quraisch und die Banu Dhamra ibn Bakr auf. Die Banu Dhamra schlossen Frieden mit ihm. Ihr Bevollmächtigter war Nakhschi ibn Amr, der zu jener Zeit ihr Führer war. Muhammad kehrte hierauf wieder nach Medina zurück, ohne daß er auf einen Feind gestoßen wäre. Er blieb dort den übrigen Teil von Safar (2. Monat) und den Anfang von Rabi'a al-Awwal (3. Monat).

14.2 Weitere Feindberührungen (März bis September 623 n. Chr.)

Dies ist der erste Trupp, den Muhammad aufstellte. Muhammad sandte (März 623 n.Chr.), während er in Medina blieb, 'Ubaida ibn al-Harith ibn al-Muttalib mit sechzig oder achtzig Reitern von den Ausgewanderten, ohne einen einzigen Hilfsgenossen, gegen die Ungläubigen. Er ging bis zu einem Wasser im Hidjaz, unterhalb Thaniyyat al-Murra. Hier traf er eine Gruppe der Quraischiten. Es kam aber nicht zum Kampf mit ihnen. Nur Sa'd ibn Abi Waqqas schoß einen Pfeil ab. Es war der erste Pfeil, der im Heiligen Krieg abgeschossen wurde. Man trennte sich dann, wobei die Moslems sich gegenseitig Rückendeckung gaben.

Alsbald schickte Muhammad Hamza, den Sohn Abd al-Muttalibs (März 623 n.Chr.), nach Sif al-Bahr3 in der Gegend von al-'Is. Er hatte dreißig Reiter von den Auswanderern, aber keinen einzigen Hilfsgenossen bei sich. Er traf an diesem Ufer auf Abu Djahl mit dreihundert berittenen Mekkanern. Madjdi ibn Amr, der Djuhainite, welcher mit beiden Teilen in Frieden lebte, trat zwischen sie, und man trennte sich ohne Kampf. Manche behaupten, Hamzas Gruppe sei die erste von Muhammad aufgestellte gewesen, und die Sendung Hamzas und Abu 'Ubaidas habe gleichzeitig stattgefunden, so daß man sie miteinander verwechselte. Man behauptet auch, Hamza habe in einem Gedicht erwähnt, daß er den ersten Kampfauftrag von Muhammad erhalten habe. Sollte er dies wirklich gesagt haben, so ist es auch wahr, da er nur die Wahrheit sprach. Allah weiß, wie es sich verhielt. Wir haben jedoch von Gelehrten vernommen, Ubaida habe dem ersten Trupp vorgestanden.

Im Monat Rabi'a al-Awwal (3. Monat) (September 623 n.Chr.) unternahm Muhammad wieder einen Kriegszug gegen die Quraischiten. Er setzte al-Sa'ib, den Sohn des Uthman ibn Maz'un, über Medina und ging bis Buwat4 in der Gegend von Radwa. Dann kehrte er nach Medina zurück, ohne daß sie in Schwierigkeiten geraten wären. Er blieb dort den übrigen Teil vom Rabi'a al-Akhir (4. Monat) und einen Teil von Djumada al-Ula (5. Monat).

14.3 Der Kriegszug nach al-'Uschayra5 (Dezember 623 n.Chr.)

Dann zog er wieder gegen die Quraischiten aus und setzte nach Ibn Hischam Abu Salama über Medina. Er passierte die Schlucht der Banu Dinar, dann Faifa' al-Khabar, dann ließ er sich unter einem Baum im Tal Ibn Azhar nieder, welches Dhat al-Saq hieß. Dort befindet sich seine Moschee, und er betete in ihr. Man bereitete ihm dort ein Mahl. Er aß, und die Leute aßen mit ihm. Der Ort, wo die Kessel aufgestellt waren, ist bekannt. Dann brachte man ihm Wasser, das sich dort befindet und al-Muschtarib heißt. Muhammad brach dann wieder auf, ließ die Brunnen zur Linken liegen und ging durch die Schlucht, welche noch heute “Schlucht Abd Allahs” genannt wird. Dann ging er gegen Sadd hinunter, bis er nach Yalyal kam. Er stieg an dem Weg, der Yalyal mit Dhabuah verbindet, ab und trank von dem Brunnen von Dhabuah.6 Dann ging er das Feld Malal hinab, bis er in Sukhairat al-Yamam auf die Straße kam, die ihn nach 'Uschayra in die Niederung von Yanbu' führte. Hier blieb er den ganzen Monat Djumada al-Ula (5. Monat) und einige Nächte von Djumada al-Akhira (6. Monat). Er schloß daselbst einen Friedensvertrag mit den Banu Mudlidj und ihren Schutzgenossen von den Banu Dhamra. Dann kehrte er nach Medina zurück, ohne irgendeinem Feind begegnet zu sein.

Inzwischen sandte Muhammad Sa'd ibn Abi Waqqas mit acht Auswanderern aus, und er ging bis Kharrar im Hidjaz. Dann kehrte er um, ohne einen Feind gefunden zu haben.

14.4 Der Feldzug nach Safwan7 (September 623 n. Chr.)

Muhammad blieb nach seiner Rückkehr von 'Uschayra nur wenige Nächte, nicht ganz zehn, in Medina. Dann zog er gegen Kurz ibn Djabir al-Fihri aus, welcher die Herden von Medina überfallen hatte. Er setzte nach Ibn Hischam Zaid ibn Haritha über Medina und verfolgte Kurz bis in das Tal Safwan in der Gegend von Badr, ohne ihn einzuholen. Dieser Zug wird auch “der erste von Badr” genannt. Muhammad kehrte dann wieder nach Medina zurück und blieb dort den übrigen Teil von Djumada al-Akhira (6. Monat) und die ganzen Monate Radjab (7. Monat) und Scha'ban (8. Monat).

14.5 Die Sendung des Abd Allah ibn Djahsch nach Nakhla und die Offenbarung über Kämpfe im heiligen Monat (Januar 624 n. Chr.)

Nach der Rückkehr von Badr, im Radjab (7. Monat), sandte Muhammad Abd Allah ibn Djahsch ibn Ri'ab al-Asadi mit acht Auswanderern aus und gab ihnen einen Brief mit. Er befahl ihm aber, ihn erst nach einem Marsch von zwei Tagen zu lesen. Auch sollte er keinen seiner Gefährten zwingen, sich an dem Überfall zu beteiligen.

Nach zwei Tagen öffnete Abd Allah das Schreiben. Darin stand: “Wenn du dieses Schreiben liest, so ziehe nach Nakhla8, das zwischen Mekka und Ta'if liegt, und lauere dort den Quraischiten auf. Gib uns Nachricht von ihnen!” Als Abd Allah das Schreiben gelesen hatte, war er bereit, den Befehl zu vollziehen und sagte zu seinen Gefährten: “Muhammad hat mir befohlen, nach Nakhla zu gehen und den Quraischiten aufzulauern, um ihm Nachricht von ihnen zu geben. Er hat mir aber verboten, einen von euch zu nötigen, mit mir zu gehen. Wer daher Lust hat, als Märtyrer zu sterben, der folge mir. Wer nicht will, der ziehe sich zurück. Was mich betrifft, so bin ich entschlossen, den Befehl des Gesandten Allahs zu vollziehen.”

Er setzte hierauf seinen Marsch fort, und alle seine Gefährten folgten ihm. Als er zu den Minen von Bahran im Hidjaz, oberhalb al-Furu', gelangte, verloren Sa'd ibn Abi Waqqas und 'Utba ibn Ghazwan das Kamel, auf dem sie abwechselnd ritten und blieben zurück, um es zu suchen. Abd Allah aber mit den anderen Gefährten zog weiter bis nach Nakhla. Da kam eine Karawane der Quraischiten vorüber, welche Rosinen, Leder und andere Waren mit sich führte und bei welchen Amr ibn al-Khadrami, Uthman ibn Abd Allah und sein Bruder Nawfal aus dem Stamm Makhzum und al-Hakam ibn Kaisan, ein Freigelassener des Hischam ibn al-Mughira, waren.

Die Leute fürchteten sich vor den Moslems, welche sich in ihrer Nähe niedergelassen hatten. Ukkascha ibn Mihsan, der sein Haupthaar abrasiert hatte, näherte sich ihnen. Sie beruhigten sich und sagten untereinander: “Es sind Pilger! Ihr habt nichts zu fürchten!” Es war der letzte Tag vom (heiligen) Monat Radjab (7. Monat). Die Moslems hielten Rat und sagten: “Bei Allah, lassen wir die Karawane diese Nacht in Ruhe, so wird sie in das heilige Gebiet eintreten und darin Schutz gegen euch finden. Greift ihr sie aber jetzt an, so begeht ihr eine Mordtat im heiligen Monat.” Die Leute wurden ängstlich und scheuten sich, sie anzugreifen. Dann ermannten sie sich und beschlossen, so viele wie möglich von ihnen zu töten und ihnen die Waren wegzunehmen. Waqid ibn Abd Allah schoß einen Pfeil auf Amr ibn al-Khadrami ab und tötete ihn. Uthman ibn Abd Allah und al-Hakam ibn Kaisan wurden zu Gefangenen gemacht. Nawfal ibn Abd Allah aber entkam.

Abd Allah kehrte hierauf mit der Karawane und den beiden Gefangenen zu Muhammad nach Medina zurück. Einer aus dem Geschlecht Abd Allahs berichtet, Abd Allah habe seinen Gefährten gesagt: “Der fünfte Teil der Beute gehört dem Gesandten Allahs,” obgleich damals das Gebot, dem Propheten den fünften Teil der Beute zu überlassen, noch nicht geoffenbart war. Das übrige teilte er unter seinen Gefährten.

Als sie nach Medina kamen, sagte Muhammad: “Ich habe euch nicht befohlen, im heiligen Monat Krieg zu führen,” ließ die Karawane und die Gefangenen stehen und weigerte sich, etwas davon zu nehmen. Als Muhammad so gesprochen hatte, bereuten die Leute ihre Tat und hielten sich für verloren, denn sie wurden auch von ihren Gefährten dafür getadelt. Die Quraischiten aber sagten: “Muhammad und seine Gefährten haben den heiligen Monat durch Mord, Raub und Gefangennahme entweiht!”

 

14.6 Die Juden deuteten diesen Vorfall als schlechtes Omen für Muhammad

Als viel darüber gesprochen wurde, offenbarte Allah: “Sie werden dich wegen des Krieges im heiligen Monat fragen. Sprich: Ein Krieg im heiligen Monat ist ein schwerwiegendes Vergehen. Aber vom Pfad Allahs abhalten, an ihn nicht glauben, von der heiligen Anbetungsstätte fernhalten und seine Bürger daraus vertreiben, ist vor Allah eine größere Schuld! ...” (Sure al-Baqara 2,217). Ihr habt im heiligen Monat Krieg geführt. Sie aber haben euch vom Pfade Allahs abgehalten und an Allah nicht geglaubt. Sie halten euch von der heiligen Anbetungsstätte fern und haben euch daraus vertrieben, während ihr doch deren Herren seid. Dies ist eine größere Schuld vor Allah als der Tod einiger Männer, die ihr erschlagen habt. “... Verführung [zum Abfall vom Islam und Aufruhr gegen ihn] ist schlimmer als Totschlag ...” (Sure al-Baqara 2, 217 siehe auch Vers 191). Sie verführten die Moslems, bis sie wieder in den Unglauben zurückfielen. Das ist schlimmer vor Allah, als einen Menschen zu töten. “... Sie werden nicht aufhören, euch zu bekämpfen, bis sie euch von eurem Glauben abtrünnig gemacht haben, wenn sie es vermögen ...”9 (Sure al-Baqara 2,217).

Nachdem Allah durch diese Offenbarung die Gläubigen von ihrer Angst (und ihrem schlechten Gewissen) befreit hatte, nahm auch Muhammad seinen Anteil an der Beute und den Gefangenen. Die Quraisch schickten dann zu Muhammad, um die beiden Gefangenen auszulösen.10 Muhammad aber sagte: “Ich gebe sie nicht eher frei, bis meine beiden Gefährten Sa'd und 'Utba zurückkommen, um die wir besorgt sind. Tötet ihr sie, dann töten wir auch unsere Gefangenen.” Als Sa'd und 'Utba zurückkehrten, nahm Muhammad das Lösegeld an und gab den Gefangenen die Freiheit. Al-Hakam wurde aber ein guter Moslem, blieb bei Muhammad und starb (im Juli 625 n.Chr.) als Märtyrer bei Bi'r Ma'una. Uthman hingegen kehrte nach Mekka zurück und starb dort als Ungläubiger.

 

Als Abd Allah und seine Gefährten so durch Qur’anverse von ihrem Kummer befreit worden waren, sehnten sie sich nach lohnenswerteren Taten und fragten Muhammad, ob sie nicht wünschen dürften, durch einen weiteren Kriegszug den Lohn der Glaubenskämpfer zu ernten. Da offenbarte Allah: “Diejenigen, welche glauben, auswandern und auf dem Pfade Allahs kämpfen, dürfen auf Allahs Gnade hoffen. Allah ist gnädig und barmherzig” (Sure al-Baqara 2,218), wodurch ihnen Allah die schönste Hoffnung eröffnet hat.11

Einer aus der Familie des Abd Allah ibn Djahsch erzählt, Allah habe später, als er erlaubte, Beute zu machen, vier Teile denen, die sie gemacht haben, und einen Teil Allah und seinem Gesandten bestimmt, wie es hier Abd Allah bei dieser Karawane gehalten hatte. Dies ist die erste Beute12, welche die Moslems gemacht hatten. Amr ibn al-Khadrami war der erste von Moslems Erschlagene, und Uthman und al-Hakam waren die ersten Gefangenen.

14.7 Wann die Gebetsrichtung (Qibla) geändert wurde

Wie behauptet wird, wurde die Gebetsrichtung im Scha'ban (8. Monat), achtzehn Monate nach der Ankunft Muhammads in Medina, geändert. Man wandte sich fortan beim Gebet der Ka'ba in Mekka zu.13


Footnotes
1  Waddan liegt am Roten Meer, 190 km südlich von Medina.
2  D.h. der erste Kriegszug, bei dem Muhammad selbst anführte. Die drei Kriegszüge davor wurden von Vertrauten Muhammads angeführt, wie die nächsten Abschnitte erzählen.
3  "Sif al-Bahr" liegt am Roten Meer, 320 km nordwestlich von Medina.
4  "Buwat" liegt ca. 70 km nordwestlich von Medina an der Handelsstraße nach Syrien.
5  "al-'Uschayra" liegt ca. 110 östlich von Mekka und ca. 350 km südlich von Medina.
6 Jesus zog mit seinen Jüngern durch Berge, Täler und Steppen. Der Brunnen von Sichem, an dem er trank, ist noch vorhanden. Jesus heilte, rettete, trieb Dämonen aus und predigte Vergebung, Liebe und Frieden, während Muhammad mit den verwegensten seiner Genossen unterwegs war, um Karawanen zu überfallen.
7  "Safwan" liegt etwa 90 km südwestlich von Medina. (September 623 n.Chr.)
8  "Nakhla" ist ein Tal ca. 70 km nordöstlich von Mekka gelegen, am Handelsweg vom Jemen nach Mekka.
9 Der Aufruhr der Juden und Heiden wegen des verbrecherischen Überfalls im heiligen Monat wurde von Muhammad durch eine juristische Meisterleistung aufgefangen. Er verurteilte jeden Kampf im heiligen Monat – auch seinen eigenen Überfall – als großes Verbrechen. Wer jedoch gegen den Islam kämpfe und Moslems zum Abfall bringe, begehe ein noch größeres Verbrechen. Muhammad hat damit das Begehen eines kleineren Unrechts mit der Bekämpfung eines größeren gerechtfertigt. Die Mission unter Moslems gilt seither als Verführung zum Aufruhr und wird als ein größeres Verbrechen als Totschlag bewertet (Sure al-Baqara 2,217).
10 Die Geiselnahme war bei den Moslems von Anfang an ein legaler Bestandteil des Heiligen Krieges. Sie wird bis heute, wo immer sie möglich ist, geübt.
11  Das Töten im Heiligen Krieg wurde als rechtfertigender Gottesdienst zur Erlangung der Gnade Allahs geoffenbart. Damit ist dem Terrorismus im Islam Tür und Tor geöffnet (Sure al-Anfal 8,17).
12  Die Beute war bei den Überfällen Muhammads das Hauptziel aller kriegerischen Unternehmungen. Er mußte seinen ausgewanderten Moslems Einnahmen und Wohlstand verschaffen, damit sie nicht vom Islam abfielen.
13  Ibn Hischam erwähnt zum dritten Mal das gravierende Zeichen der inneren Loslösung Muhammads von den Juden, der vergeblich gehofft hatte, sie für den Islam zu gewinnen. Mit der Abwendung der betenden Moslems von Jerusalem und ihrer Hinwendung nach Mekka war der endgültige Bruch zwischen dem Islam und dem Judentum vollzogen.