9.1 Muhammads nächtliche Wanderung und Himmelfahrtsvision

Muhammad wurde von der Anbetungsstätte in Mekka zum Tem-pel in Jerusalem getragen, als der Islam sich schon unter den Quraischiten und anderen Stämmen Mekkas ausgebreitet hatte. Über diese Reise gibt es Überlieferungen von Abd Allah ibn Mas’ud, von Abu Sa'id al-Khudri, von Aischa, der Gattin Mu-hammads, von Mu'awiya ibn Abi Sufyan, von Hassan ibn Abi al-Hassan al-Basri, von Ibn Schihab al-Zuhri, von Qatada, von an-deren Traditionsträgern und von Umm Hani, der Tochter Abu Ta-libs. Wir haben hier zusammengefaßt, was die verschiedenen Männer und Frauen darüber berichtet haben.

Diese Reise stellte eine Versuchung und Prüfung der Moslems auf Befehl Allahs, des Erhabenen und Mächtigen, dar. Sie be-deutete eine Belehrung für Verständige, eine Leitung, Gnade und Befestigung für die Gläubigen. Allahs Befehl war geschehen. Muhammad mußte aufbrechen, damit Allah ihm “von seinen Wundern zeige” (Sure al-Isra' 17,1), so viel er wollte, und Muhammad einen Blick auf seine Macht und Herrschaft werfe, kraft derer er tut, was ihm gefällt.

Abd Allah ibn Mas’ud erzählt: “Man führte Muhammad den Buraq1 vor, jenes Wundertier, das schon andere Propheten vor ihm getragen hatte und das seine Hufe so weit auseinandersetzt, wie das Auge reicht. Sein Freund (Gabriel) hob ihn hinauf und be-gleitete ihn. Muhammad sah die Wunder zwischen Himmel und Erde. Schließlich kam er nach Jerusalem. Hier begegnete er Ab-raham, Moses, Christus und anderen Propheten, die sich um seinetwillen einfanden, und er betete mit ihnen.’2

Man brachte ihm drei Gefäße. Das eine enthielt Milch, das ande-re Wein und das dritte Wasser. Muhammad hörte, während die Gefäße vor ihm aufgestellt wurden, eine Stimme, die ihm zurief: “Wenn du das Wassergefäß nimmst, wirst du und dein Volk er-tränkt. Greifst du nach dem Wein, so wirst du und dein Volk dem Irrtum verfallen. Ziehst du aber die Milch vor, so wirst du und dein Volk recht geleitet.”

“Ich nahm daher,” erzählt Muhammad selbst, das Milchgefäß und trank daraus, und Gabriel sagte zu mir: Du wirst recht gelei-tet und dein Volk mit dir, o Muhammad!”

AI-Hassan hat mir erzählt, Muhammad habe einst gesagt: “Wäh-rend ich im Heiligtum schlief, kam Gabriel und stieß mich mit dem Fuß. Ich setzte mich aufrecht, sah aber nichts. Ich legte mich daher wieder auf mein Lager zurück. Abermals stieß mich Gabriel mit seinem Fuß. Da erhob ich mich. Als ich aber nichts sah, legte ich mich wieder nieder. Er stieß mich zum dritten Mal, und als ich mich aufrecht setzte, faßte er meinen Arm. Ich stand auf, und er führte mich an die Tür der Anbetungsstätte. Da stand ein weißes Tier, der Größe nach zwischen einem Maulesel und einem Esel. Es hatte zwei Flügel an den Hüften, unter welchen die Hinterfüße hervortraten, während seine Vorderbeine so weit reichten, wie das Auge sehen konnte. Gabriel hob mich hinauf und begleitete mich. Er blieb stets an meiner Seite.”

Von Qatada ist mir berichtet worden, Muhammad habe erzählt: ‚Als ich mich dem Tier näherte, um es zu besteigen, wurde es bockig. Da legte ihm Gabriel seine Hand auf die Mähne und sag-te: ,Schämst du dich nicht, Buraq? Bei Allah, es hat dich bisher kein edlerer Sklave Allahs bestiegen als Muhammad.’ Buraq schämte sich derart, daß er ganz mit Schweiß bedeckt wurde. Er blieb dann ruhig stehen, bis ich ihn bestiegen hatte.”

AI-Hassan berichtet: “Muhammad reiste in Begleitung Gabriels nach Jerusalem. Dort fand er Abraham, Moses, Christus und an-dere Propheten. Muhammad ging auf sie zu und betete mit ih-nen. Dann brachte man ihm zwei Gefäße. In dem einen war Wein und im andern Milch. Muhammad nahm das Gefäß mit Milch und trank daraus. Den Wein ließ er unberührt. Da sagte ihm Gabriel: Du bist von deiner Erschaffung an recht geleitet, dein Volk ist recht geleitet, und der Wein ist euch verboten.”

Muhammad kehrte dann nach Mekka zurück und erzählte am folgenden Morgen den Quraischiten seine Erlebnisse. Die meis-ten Leute sagten: “Das ist doch, bei Allah, eine klare Sache! Mu-hammad will in einer Nacht die Reise nach Syrien hin und zurück gemacht haben, während eine Karawane zwei Monate dazu braucht.”

Viele Moslems fielen wieder vom Islam ab. Andere kamen zu Abu Bakr und fragten: “Was hältst du von deinem Freund, der behauptet, diese Nacht in Jerusalem gewesen zu sein? Er habe dort gebetet und sei wieder zurückgekehrt.” Abu Bakr antwortete: “Ihr dichtet ihm Lügen an.” Da entgegneten sie: “Er ist im Bereich der Ka'ba und erzählt selbst davon.” Abu Bakr erwiderte: “Bei Al-lah, wenn er es selbst sagt, so ist es auch wahr, und was ist so Unglaubliches daran? Glaube ich doch, wenn er mir sagt, die Of-fenbarung komme vom Himmel zur Erde herab in einer Stunde des Tages oder der Nacht. Und dies bedeutet doch noch viel mehr als das, was euch so wunderbar erscheint.”

Er begab sich dann zu Muhammad und fragte: “Hast du, o Pro-phet Allahs, diesen Leuten gesagt, du seist in Jerusalem gewe-sen?” Er antwortete: “Ja.” Da sagte Abu Bakr: “Beschreibe mir die Stadt. Ich bin schon dort gewesen.” Muhammad fing dann an, Jerusalem zu beschreiben, und sooft er Einzelheiten eines Stadtteils geschildert hatte, rief Abu Bakr: “Du hast wahr gespro-chen! Ich bezeuge, daß du ein Gesandter Allahs bist.” Als er ge-endet hatte, sagte er zu Abu Bakr: “Du, Abu Bakr, bist der Wahr-haftige.” Von diesem Tage an wurde er “der Wahrhaftige” ge-nannt.

Hassan berichtet ferner: “Gegen diejenigen, welche wegen die-ses Vorfalls vom Islam abfielen, offenbarte Allah: ‚... Wir haben das Gesicht, das wir dir gezeigt haben, nur zur Versuchung für die Menschen gemacht, ebenso den im Qur’an verfluchten Baum. Wir warnen sie, aber das macht sie nur noch widerspenstiger‘“ (Sure al-Isra' 17,60).

Einer aus der Familie Abu Bakrs hat mir erzählt, Aischa habe gesagt: “Muhammads Körper wurde nicht vermißt, sondern Allah ließ seinen Geist reisen.” Ya'qub ibn 'Utba ibn al-Mughira ibn al-Akhnas hat mir berichtet, Mu'awiya ibn Abi Sufyan habe, wenn man ihn über Muhammads nächtliche Reise befragte, geantwor-tet: “Es war eine wahre Vision von Allah.”

AI-Zuhri berichtet nach dem, was er von Sa'id ibn al-Musayyab gehört hat: “Muhammad hat seine Gefährten Abraham, Moses und Christus beschrieben, nachdem er sie in dieser Nacht gese-hen hatte. Von Abraham sagte er: ‚Ich habe nie jemanden gese-hen, der mir selbst ähnlicher wäre oder dem ich ähnlicher wäre. Moses war ein Mann von großer Statur, beweglich, mit krausem Haar und gebogener Nase, als wäre er vom Stamme Schanu'a.’

Christus habe weiss-rötlich ausgesehen, von mittlerer Größe, mit wallendem Haar, strahlendem Gesicht, als käme er aus einem Bad. Man hatte den Eindruck, es tropfe Wasser von seinem Kopf, was aber nicht der Fall ist.”3

 

9.2 Beschreibung Muhammads

Umar, ein Freigelassener des Ghufra, hat von Ibrahim ibn Mu-hammad ibn Ali ibn Abu Talib berichtet, Ali habe folgende Schil-derung von Muhammad gegeben: “Er war weder zu lang noch zu kurz, von mittlerer Statur. Sein Haar war nicht zu kraus, nicht zu wallend. Sein Gesicht war nicht zu voll und nicht zu fleischig. Es war weiß mit Röte gemischt. Er hatte schwarze Augen, lange Augenwimpern, einen starken Kopf und feste Schulterknochen, wenig feine Haare an der Brust, volle Hände und Füße. Wenn er ging, setzte er die Füße nicht fest auf, als ob er sich auf ab-schüssigem Boden bewegte; wenn er sich umdrehte, tat er es ganz. Er ging so leicht, als schwebe er auf dem Wasser, und wenn er nach einer Seite hinüberblickte, drehte er sich um. Zwi-schen seinen Schultern war das Siegel des Prophetentums.4Seine Hände waren die freigiebigsten aller Menschen. Seine Brust war die mutigste. Seine Zunge war die wahrhaftigste.5 Er war der Treueste gegen seine Schützlinge, der Sanfteste und Angenehmste im Umgang. Wer ihn plötzlich sah, war von Ehr-furcht erfüllt. Wer ihm näherkam, liebte ihn. Wer ihn beschrieb, mußte sagen: Ich habe vor und nach ihm nicht seinesgleichen gesehen.”

9.3 Die Himmelfahrt und die Wunder, die Muhammad dabei gesehen hat

Ein zuverlässiger Mann hat mir von Abu Sa'id al-Khudri berichtet, er habe gehört, wie Muhammad erzählte: “Als ich in Jerusalem alles Nötige vollendet hatte, brachte man mir eine Leiter. Nie hat-te ich etwas Schöneres gesehen. Es ist die, nach welcher die Toten bei der Auferstehung ihre Blicke richten. Mein Freund (Gabriel) ließ mich hinaufsteigen, bis wir an eines der Himmelsto-re kamen, welches das Tor der Wache hieß. Hier stand ein En-gel, der Isma'il hieß. Er hatte über 12.000 Engel zu gebieten, de-nen wieder je 12.000 Engel untergeordnet waren.”

Muhammad sagte: “Als ich in den untersten Himmel kam, be-gegneten mir alle Engel mit lachendem, heiterem Gesicht und wünschten mir Glück. Nur ein Engel wünschte mir Glück, ohne daß er lachte oder vergnügt aussah. Ich fragte daher Gabriel, warum gerade dieser Engel kein heiteres, lachendes Gesicht zeige wie die anderen. Gabriel antwortete: ‚Er würde dir entge-genlachen, wenn er es je vor einem anderen getan hätte oder tun würde. Aber dieser Engel lacht nie. Es ist Malik, der Herr der Hölle.’ Da sagte ich zu Gabriel, der an diesem Ort nach Allahs Willen zu gebieten hatte und dem man vertrauen konnte: ,Willst du ihm nicht befehlen, mir das Feuer der Hölle zu zeigen?’ Er sagte zu und erteilte Malik den entsprechenden Befehl. Dieser hob den Deckel beiseite, und das Feuer tobte und stieg in die Höhe, so daß ich glaubte, es würde alles verzehren, was ich vor mir sah. Ich bat daher Gabriel ihm zu befehlen, es wieder zu-rückzudrängen. Gabriel tat dies und Malik rief: ‚Weiche zurück!’ Da kehrte das Feuer dahin zurück, wo es hergekommen war, und mir erschien es, als wenn plötzlich ein Schatten auf alles ge-fallen wäre. Dann schob Malik den Deckel wieder darüber.”

Nach Abu Sa'ids Bericht hat Muhammad gesagt: “Als ich in den untersten Himmel kam, sah ich einen Mann sitzen, dem die See-len der Menschen vorgestellt wurden. Er freute sich mit den ei-nen und sagte: ‚Gute Seele, aus gutem Körper herausgekom-men.’ Bei anderen machte er ein finsteres Gesicht und rief: ‚Pfui, häßliche Seele, aus häßlichem Körper herausgekommen.’ Ich fragte Gabriel: ‚Wer ist dieser Mann?’ Er antwortete: ‚Dieser ist dein Vater Adam6, dem die Seelen seiner Nachkommen vorgestellt werden. Er freut sich mit den Gläubigen und sagt: “Gute Seele aus gutem Körper.” Bei den Ungläubigen wird er betrübt und mit Abscheu erfüllt und sagt: “Häßliche Seele aus häßlichem Körper.’”

Dann sah ich Männer mit Kamellippen, welche Stücke von Feuer in der Hand hatten, so groß, daß sie die ganze Hand ausfüllten. Dieses Feuer warfen sie in ihren Mund, und es kam hinten wie-der heraus. Ich fragte Gabriel: ,Was sind das für Leute?’ Er ant-wortete: ‚Es sind Menschen, welche das Gut der Waisen unge-rechterweise verzehrt haben.’

Dann sah ich Männer mit Bäuchen, wie ich sie nie gesehen. Sie krochen auf ihren Bäuchen wie durstige Kamele. Dann traten sie auf ihnen herum, so daß sie sich nicht mehr von der Stelle be-wegen konnten. Ich fragte Gabriel: ‚Wer sind diese?’ Er antwor-tete: ‚Dies sind Wucherer.’

Dann sah ich Männer, die gutes, fettes Fleisch vor sich liegen hatten und daneben schlechtes, stinkendes, die aber doch von dem verdorbenen aßen und das gute liegen ließen. Ich fragte Gabriel, was das für Leute wären. Er antwortete: ,Es sind solche, welche die Frauen, die ihnen Allah erlaubt hat, verlassen und sich denen zuwenden, die ihnen Allah verboten hat.’

Dann sah ich Frauen, die an ihren Brüsten aufgehängt waren. Ich fragte Gabriel: ‚Wer sind diese?’ Er antwortete: ‚Es sind sol-che, die ihren Männern fremde Kinder untergeschoben haben. Allahs Zorn ist heftig gegen eine Frau, die einem Geschlechte jemanden zuführt, der nicht zu ihm gehört, der dann dessen Gü-ter verzehrt und die Scham aufdeckt.’”

Nach Abu Sa'id al-Khudri fuhr Muhammad fort: “Gabriel ließ mich dann in den zweiten Himmel steigen. Hier sah ich die beiden Vettern7, Christus und Johannes.

Dann kam ich in den dritten Himmel. Da war ein Mann, der wie ein Vollmond aussah. Als ich nach seinem Namen fragte, sagte mir Gabriel: Es ist dein Bruder Josef, der Sohn Jakobs.’

Er brachte mich dann in den vierten Himmel. Da sah ich wieder einen Mann, welchen Gabriel Idris (Henoch, den unsterblichen Propheten) nannte und sagte darauf: ,Wir haben ihm einen hohen Platz angewiesen’ (Sure Maryam 19,57).

Er führte mich dann in den fünften Himmel. Da war ein Greis mit weißem Haupthaar und einem langen, weißen Bart. Ich habe nie einen schöneren Greis gesehen. Ich fragte nach seinem Namen und Gabriel sagte mir, es ist Harun (Aaron), der Sohn 'Imrans, der Beliebte unter seinem Volk.

Im sechsten Himmel, den ich hierauf bestieg, sah ich einen gro-ßen Mann mit gebogener Nase, als wäre er vom Stamm Scha-nu'a. Ich fragte Gabriel: ,Wer ist dieser Mann?‘ Er antwortete: ,Es ist dein Bruder Moses, der Sohn 'Imrans.’

Er ließ mich dann in den siebten Himmel steigen. Da saß ein Mann, der mir sehr ähnlich sah, auf einem Thron vor dem Tor des Paradieses, durch das jeden Tag 70.000 Engel eingehen, die bis zum Tage der Auferstehung nicht wieder herauskommen. Ich fragte Gabriel: ‚Wer ist dieser Mann?’ Er antwortete: ‚Es ist dein Vater Abraham.’

Dann führte er mich in das Paradies. Da sah ich ein schwarzes Mädchen (Sklavin, Dienerin), das mir wohlgefiel. Ich fragte, wem es angehöre.8 Es antwortete: ‚Zaid ibn Haritha,’ und ich brachte Zaid diese frohe Botschaft.”

Nach der Überlieferung des Abd Allah ibn Mas’ud wurde Gabriel an jedem Himmelstor, in das er eingelassen werden wollte, ge-fragt, wer bei ihm sei. Als er Muhammads Namen nannte, fragte man, ob er bereits als Prophet gesandt worden sei, und sobald er diese Frage bejahte, wurde gerufen: “Allah grüße ihn von sei-nem Freunde und von seinem Bruder!”

Nachdem er zum siebten Himmel gelangt war, führte ihn Gabriel zu seinem Herrn9, und er schrieb ihm für jeden Tag fünfzig Gebetsgänge vor.10

“Als ich,” so erzählt Muhammad weiter, “auf dem Rückweg wie-der an Moses, eurem guten Herrn, vorüberkam, fragte er mich, wieviele Gebete mir vorgeschrieben worden seien. Ich antworte-te: ,Fünfzig pro Tag.’ Da sagte er: ‚So viele Gebetsrunden sind mühsam, und dein Volk ist schwach. Geh zu deinem Herrn zu-rück und bitte ihn, daß er es dir und deinem Volk leichter mache.’ Ich folgte diesem Rat, und es wurden mir zehn abgenommen.

Moses fand aber vierzig noch zu viel und riet mir, um weitere Er-leichterung zu bitten, und es wurden mir abermals zehn abge-nommen.

Moses fand es jedoch immer noch zu viel. Ich kehrte so oft wie-der zurück, bis mir endlich nur noch fünf Gebetsgänge für jeden Tag auferlegt wurden.11

Als Moses auch jetzt noch mich zur Rückkehr bewegen wollte, sagte ich: Ich habe nun schon so oft um Erleichterung gebeten, daß ich mich schäme, es nochmals zu tun. Wer dieses fünfmali-ge Gebet in Glauben und Erwartung des Lohnes täglich verrich-tet, erhält den Lohn von fünfzig Gebeten, wie sie ursprünglich vorgeschrieben waren.”’

 

9.4 Wie Allah die Spötter unschädlich machte

Muhammad ermahnte trotz allen Spottes, aller Beleidigungen und obgleich man ihn einen Lügner nannte, beharrlich sein Volk in Erwartung des Gotteslohnes. Wie mir Sa'id ibn Rumman von 'Urwa ibn al-Zubair erzählt hat, waren fünf mächtige und ange-sehene Männer die ärgsten Spötter: al-Aswad ibn al-Muttalib von den Banu Asad. Wie ich gehört habe, soll Muhammad, als er von seinen spöttischen und beleidigenden Reden Kunde erhielt, ge-betet haben: “Allah! Mache ihn blind und töte seinen Sohn!”12

Jazid ibn Rumman hat mir von Urwab. al-Zubair erzählt: “Gabriel kam zu Muhammad, als die Spötter die Anbetungsstätte um-kreisten. Muhammad erhob sich und stellte sich neben ihn. Als al-Aswad ibn al-Muttalib vorüber kam, warf Gabriel ihm ein grü-nes Blatt ins Gesicht, und er wurde blind.13

Dann kam al-Aswad ibn Abd Jaghuth vorüber. Da deutete er (Gabriel) auf dessen Leib, und er wurde wassersüchtig und starb an dieser Krankheit.

Dann kam al-Walid ibn al-Mughira vorüber. Gabriel zeigte auf die Narbe einer alten Wunde an der Ferse, die er vor Jahren erhal-ten hatte. Da verschlimmerte sich das Übel, und er starb daran. Hierauf kam al-'As ibn Wa'il vorüber. Gabriel deutete auf die Soh-le seines Fußes. Bald danach ritt er auf einem Esel nach Ta'if. Der Esel legte sich auf dorniges Gesträuch, und es ging ein Dorn in die Fußsohle al-'As, und er starb daran. Endlich kam al-Harith ibn Tulatila vorüber, und Gabriel zeigte auf seinen Kopf, der an der betreffenden Stelle zu eitern anfing, bis er starb.”14

9.5 Abu Talibs und Khadijas Tod (ca. 619 n.Chr.)

Die Männer, die Muhammad in seinem Hause quälten, waren Abu Lahab, al-Hakam ibn Abi al-'As, Uqba ibn Abi Muit, Adi ibn Hamra al-Thaqafi und Ibn al-Asda al-Hudhali. Sie waren seine Nachbarn.

Von diesen Männern hat sich allein al-Hakam später zum Islam bekehrt. Wie mir erzählt worden ist, warf der eine den Uterus (Gebärmutter) eines Schafes auf ihn, während er betete, der an-dere warf einen Uterus in den Topf, in dem für ihn gekocht wur-de. Zuletzt betete Muhammad, um sicher zu sein, in einem Zim-mer. Wie mir Umar ibn Abd Allah berichtet hat, pflegte Muham-mad solchen Unrat auf einem Stück Holz vor die Tür zu tragen und zu rufen: “O, ihr Söhne Abd Manafs! Welche Nachbarschaft genieße ich!” Damit warf er den Unrat auf den Weg.

Dann starben Abu Talib und Khadija im selben Jahr.15 Dadurch wurde Muhammad von großem Unglück heimgesucht, denn Khadija war ihm eine treue Stütze im Islam, bei der er Beruhigung fand, und Abu Talib hatte ihn gegen seine Stammesgenossen verteidigt und beschützt. Beide starben drei Jahre vor der Auswanderung nach Medina.

Nach dem Tode Abu Talibs mißhandelten die Quraischiten Mu-hammad in einer Weise, wie sie es zu Abu Talibs Zeiten nie ge-wagt hätten. Einer ging sogar so weit, daß er ihm Staub auf den Kopf streute. Muhammad ging in seine Wohnung und hatte noch den Staub im Haar. Eine seiner Töchter wusch ihm weinend den Kopf, er aber sagte: “Weine nicht, mein Töchterchen, Allah wird deinen Vater beschützen.” Zwischendurch sagte er: “Solange Abu Talib lebte, konnten mir die Quraisch nichts antun.”

 


Footnotes
1 Buraq heißt: der Blitzschnelle Glänzende und bedeutet im Islam ein weißes Reittier, das die Propheten bestiegen (Sure al-Isra' 17,1). Es soll größer als ein Esel und kleiner als ein Maultier sein und zwei Flügel ha-ben. Als Muhammad bei seiner Himmelfahrt dieses Wundertier bestieg, war er von Gabriel und Michael begleitet (Ali Mansuru’s - Nasif: Scharhu kitabi’t-tadj).
2  Abraham, Mose und Christus sind im Islam die wichtigsten Propheten in der Zeit vor Muhammad. Indem Jesus im Zusammenhang mit Abraham, Mose und Muhammad erwähnt wird, wird er auf das Niveau der übrigen Propheten degradiert. In Wirklichkeit sind Mose und Elia dem Herrn Jesus auf dem Berg der Verklärung erschienen. Die beiden Vertreter des Alten Bundes haben Jesus auf seinem Weg zum Kreuz bestärkt, damit er die Versöhnung der Welt vollende (Matthäus 17,3-4; Markus 9,4-5; Lukas 9,30-31). Muhammad selbst wurde nie verklärt, sondern blieb auch während sei-ner Vision bzw. seines Nachttraums ein normaler Mensch.
3   Muhammad schien etwas von der Taufe Jesu durch Johannes im Jordan gehört zu haben. Wahrscheinlich hatte Jesus eine hellbraune Haut. Wenn er anders als die übrigen Juden ausgesehen hätte, wäre er als Bastard verschrien und abgelehnt worden.
4  Das Siegel des Prophetentums findet verschiedene Auslegungen in bezug auf Form und Farbe. Gelegentlich wird ein Muttermal als ein Sie-gel angesehen.
5 Muhammad erlaubte den Männern die Lüge legal im Krieg, zur Ver-söhnung zweier Feinde, den eigenen Frauen gegenüber und den Frauen ihren Männern gegenüber (At-Tirmidhi, Kitab al-birr, 26; Musnad Ahmad ibn Hanbal, 3,457).
6  Nach islamischer Auffassung gehört Adam zu den Gläubigen und war bereits ein Moslem. Diese Auffassung der Moslems beruht auf einer Überlieferung von Muhammad, was in den Köpfen der späteren Genera-tionen Verwirrung hervorrief. Daher gibt es eine Unzahl von erdichteten Überlieferungen, die von einer Huldigung Adams an Muhammad spre-chen (siehe al-Mawahib al-ladunniyya).
7 Muhammad wird von Christen erfahren haben, daß Johannes der Täufer und Jesus ferne Verwandte waren (Lukas 1,36). Indem er Jesus mit Johannes in den zweiten Himmel einstufte, stellte er ihn unter Mose und Abraham. Ja, sogar noch unter Joseph, Henoch und Aaron. Er wollte ihn unter allen Umständen herabsetzen und Adam ähnlich machen (Sure Al 'Imran 3,59).
8  Es ist interessant, daß Muhammad diesmal nicht direkt nach der Per-son, sondern nach deren Besitzer fragte, da es sich um eine Frau han-delte! Zaid, der Adoptivsohn Muhammads, war der erste erwachsene Mann, der den Islam angenommen hatte. Später hat Muhammad seine Frau Zainab bint Djahsh beim Baden über-rascht und sie auf Grund einer speziellen Offenbarung geheiratet, nach-dem Zaid sich von ihr geschieden hatte (Sure al-Ahzab 33,35.37.50).
9 Der Qur’an und der Hadith beschreiben Allah selbst nie in einer Vision. Sie kennen keine Herrlichkeitserscheinungen des Herrn und wissen nichts von den Cherubim. Muhammad brach nicht entsetzt vor der Hei-ligkeit Gottes zusammen. Das sind Hinweise darauf, daß er Gott in Wirk-lichkeit nie gesehen hat, sondern durch einen Traum getäuscht und ge-narrt wurde. Der Islam erlaubt keine Beschreibung Allahs, weil er unbe-schreiblich sei. Niemand wisse, wer er ist und wie er aussieht. Der Mensch im Islam ist kein Ebenbild Gottes, sondern Allahs Sklave. Allah bleibt der ferne, große, unbekannte Gott, den keiner erreichen oder ver-stehen kann. In der Bibel jedoch werden mehrere Visionen des heiligen und herrlichen Gottes berichtet. Wer ihn sah, war tief erschüttert und fiel wie tot zu Bo-den (Jesaja 6,1-8; Hesekiel 1,4-2,1; Apostelgeschichte 9,4; Offenbarung 1,17; 4,1-3; 5,6-8).
10 Die Frucht der angeblichen Begegnung Muhammads mit Allah war keine Heilsgnade. Sie bewirkte auch keine Erschütterung oder Buße in Muhammad, noch folgte ihr eine Warnung vor Gottes Gericht. Die Vision intensivierte lediglich die gesetzliche Grundhaltung Muhammads und forderte vermehrte Anbetung. Das zeigt, daß Allah zuerst ein Gesetzge-ber und ein anzubetender Richter ist, jedoch kein liebender Vater noch ein sich selbst opfernder Retter wie Jesus.
11 Der Bericht vom Mittleramt Muhammads stellt eine islamische Reflexi-on der Fürbitte Abrahams für die Bewohner der Städte Sodom und Go-morra dar (1. Mose 18,16-33). Während Abraham jedoch um die Ret-tung der Verdorbenen bat und dabei die kleinste Zahl der Gerechten als Voraussetzung für die Begnadigung der Städte erbat, ging es bei Mu-hammad nicht um Heil oder Rettung seiner Gemeinde, sondern um eine Erleichterung der Gesetzespflichten für den Moslem. Nicht die Begnadi-gung der Sünder, sondern ein Kompromiß in der Gesetzgebung als be-quemere Anbetung bei vollem Lohnausgleich war das Ergebnis der Vermittlung Muhammads. Sonst kam nichts bei der Vision von seiner Himmelsreise heraus. Die sogenannte Himmelsreise Muhammads (al-mi’radj) ist ein bei den islamischen Theologen äußerst umstrittenes Thema. Die einen sind der Meinung, daß Muhammad diese Reise leiblich unternommen habe. Die anderen stützen sich auf eine Überlieferung von Aischa und sind der Auffassung, daß die Reise nur ein Traum Muhammads war und Mu-hammad sich in Jerusalem im Geist befunden habe.
12 Der Fluch Muhammads atmet den Geist der Rache, der im Islam im-mer wieder durchbricht. Jesus dagegen heilte die Blinden und warnte die Spötter. Hier wird der grundverschiedene Geist im Evangelium und im Qur’an sichtbar.
13 Der Engel Gabriel manifestiert sich im Islam als Gerichtsengel und Ge-hilfe Muhammads, um dessen Racheabsichten auszuführen. Gabriel ist hier kein Gnadenbote Gottes, der segnet und rettet. Welch eine Verzer-rung! Muhammad hatte keine Ahnung von der geistlichen Hoheit und Erhabenheit der Engel Gottes.
14 Solche Berichte lassen auf Schwarze Magie schließen, ebenso wie die Aufforderung zum Gebetsduell in der Sure Al 'Imran 3,61, in der Mu-hammad den Fluch Allahs auf die Christen legen wollte, weil sie den Is-lam nicht akzeptierten. Jesus aber gebot seinen Jüngern ihren Feinden alle ihre Sünden zu ver-geben, sie zu segnen und ihnen wohlzutun (Matthäus 6,14.15). Der Se-gen Christi ist stärker als der Fluch Allahs (Johannes 16,33; Röm. 8,31-39).
15  Bis zu Abu Talibs und Khadijas Tod war Muhammad – und damit der ganze Islam – von der Macht der Sippe und ihrer Verpflichtung, Mu-hammad zu schützen, erhalten und getragen worden. Als die Träger dieses Sippenschutzes im gleichen Jahr starben, wurde Muhammad schutzlos und vogelfrei. Der Islam war im Schutz der arabischen Sippe gewachsen und erstarkt. Jesus aber hatte keine Sippe, die ihn schützte. Seine Brüder trennten sich frühzeitig von ihm. Jesus wurde ein Flüchtling und wich mehrere Male ins Ausland (Phönizien und die 10 Städte) aus, bis er sich ent-schlossen und mit Willen auf den Weg nach Jerusalem machte, um dort als Lamm Gottes für alle Menschen zu sterben (Matthäus 12,46-50; Jo-hannes 7,3-10).